Interview mit Gerüstbaumeister Andreas Krebs

Über den Dächern Berlins: Andreas Krebs auf einem seiner Gerüste beim Tiergarten

S‑Bahnüberbrückungen, Gedächt­nis­kir­che, Funk­turm — die Lis­te der Ber­li­ner Gebäu­de an denen Andre­as Krebs gear­bei­tet hat, ist lang. Seit 2016 ist er Geschäfts­füh­rer des Gerüst­bau­un­ter­neh­mens MODULE Spe­zi­al-Gerüst­bau GmbH, das im Mai sein 30-jäh­ri­ges Jubi­lä­um fei­ert. Der gelern­te Mau­rer und Gerüst­bau­meis­ter enga­giert sich inten­siv im Bereich Nach­wuchs­för­de­rung. Im Inter­view ver­rät er uns, war­um das The­ma ihm so stark am Her­zen liegt und wel­che aktu­el­len Trends und Ent­wick­lun­gen es der­zeit im Gerüst­bau­hand­werk gibt.

Hal­lo Herr Krebs, was ist das Beson­de­re an Ihrem Gerüstbauunternehmen?

Wir bau­en Gerüs­te für jeder­mann und für jeden Ein­satz­zweck. Das, was uns aber von ande­ren guten Gerüst­bau­un­ter­neh­men unter­schei­det, ist unser guter Umgang mit den Mit­ar­bei­tern. Denn Gerüs­te wer­den von Men­schen und nicht von Maschi­nen gebaut.

Wie sind Sie zum Gerüst­bau gekommen?

Das war eigent­lich ein blö­der Zufall. Ich hat­te mich Mit­te der 1990er Jah­re bei einer Gerüst­bau­fir­ma bewor­ben und die mein­ten, dass ich einen Gerüst­bau­fach­ar­bei­ter­ab­schluss bräuch­te, um bei ihnen anzu­fan­gen. Ich hat­te zu dem Zeit­punkt eine abge­schlos­se­ne Mau­rer­leh­re. Der Beruf hat mir aller­dings über­haupt nicht gefal­len. Des­we­gen habe ich mich für eine Umschu­lung zum Gerüst­bau­er ent­schie­den und sofort fest­ge­stellt: Das ist mein Beruf. Ich sage immer: Gerüst­bau ist Lego für Große!

Mit wel­chen Her­aus­for­de­run­gen sind Sie heu­te im Hand­werk konfrontiert?

Wir lei­den unter dem all­ge­mein bekann­ten Fach­kräf­te­man­gel. Wir wol­len gern qua­li­fi­zier­te Mit­ar­bei­ter gewin­nen bezie­hungs­wei­se aus­bil­den, um wei­ter­hin Sicher­heit gewähr­leis­ten zu kön­nen. Denn wir bau­en mit unse­ren Gerüs­ten die Grund­la­ge für alle Berufs­grup­pen, die danach kom­men, auf unse­rem Gerüst ste­hen und abends heil nach Hau­se kom­men sollen.
Wir müs­sen unse­re Kun­den noch davon über­zeu­gen, dass gutes Per­so­nal Geld kos­tet. Die­ses ist für die Mon­ta­ge von siche­ren Gerüs­ten aber unver­zicht­bar. Natür­lich ist das Gerüst nach­her weg und hin­ter­lässt nichts Blei­ben­des, aber es ist nun mal auch die Grund­vor­aus­set­zung dafür, dass über­haupt erst­mal etwas gebaut wer­den kann.

Wie sieht es mit dem The­ma Nach­wuchs­ak­qui­se aus?

Im Gerüst­bau­hand­werk sieht es momen­tan lei­der so aus, dass wir oft das bekom­men, was die ande­ren nicht wol­len. Da wür­de ich mir schon wün­schen, dass sich dahin­ge­hend etwas ver­än­dert. Das liegt zum einen dar­an, dass das Hand­werk zu wenig Image­pfle­ge betrie­ben hat und zum ande­ren spie­gelt sich da auch die gesell­schaft­li­che Ebe­ne: Pass in der Schu­le auf, sonst muss­te aufn Bau. Aber statt rum zu jam­mern, kön­nen wir auf die Stra­ße, in die Schu­len gehen und die Jugend­li­chen ein­fan­gen und ihnen ein ande­res Bild vermitteln.

Was tun Sie selbst für die Nachwuchsförderung?

Das The­ma Nach­wuchs­för­de­rung ist mir sehr wich­tig. Des­halb sind wir da schon sehr aktiv. Trotz­dem ist für alle noch eine Men­ge Platz noch oben. Ich glau­be, wenn wir los­ge­hen und die Jugend­li­chen da abho­len, wo sie jetzt ste­hen, kön­nen wir vie­le tol­le Men­schen für uns gewin­nen. Man hört ja immer, die Jugend hat kei­ne Lust, ist faul und unzu­ver­läs­sig. Ich habe da ande­re Erfah­run­gen gemacht. Es gibt wahn­sin­nig vie­le jun­ge Men­schen, die begeis­te­rungs­fä­hig sind. Und wenn man denen Per­spek­ti­ven und Mög­lich­kei­ten auf­zeigt, dann erge­ben sich attrak­ti­ve Chan­cen auf bei­den Seiten.

Und wel­che Aktio­nen haben Sie schon kon­kret gestartet?

Seit 2015 gehe ich selbst ab und zu an Ober­schu­len und gebe dort Bewer­bungs­trai­ning, um einer­seits die Schu­le zu unter­stüt­zen und um ande­rer­seits eine Unter­neh­mer­sei­te auf­zu­zei­gen. Denn in der Schu­le kann ich als jemand, der die Bewer­bun­gen am Ende liest, noch einen ande­ren Ein­druck hin­ter­las­sen, als jemand, der nicht aus dem Metier kommt. Das ist total span­nend und macht eine Men­ge Spaß. Die Schü­ler haben auch wiss­be­gie­rig alle Infor­ma­tio­nen auf­ge­nom­men und sogar die Pau­se ver­ges­sen. Die Schu­len tun sich aller­dings bis­her schwer damit, weil der Berufs­ori­en­tie­rungs­un­ter­richt knapp ist und die Leh­rer das über­ge­stülpt krie­gen. Obwohl es eigent­lich ein extrem wich­ti­ges The­ma ist. Vie­len ist in der Schu­le über­haupt noch nicht klar, was sie mal wer­den wol­len und wofür sie ler­nen sollen.

Außer­dem haben wir zwei bis drei­mal im Jahr eine neun­te Klas­se zu Besuch bei uns, die vor Ort ein klei­nes Gerüst baut. Zwei­mal im Jahr kommt dann noch eine sechs­te Klas­se zu Besuch. Wir sind zudem Koope­ra­ti­ons­part­ner vom Schulpaten.

Wie schaut es mit weib­li­chen Azubis/Angestellten aus?

Wir haben in unse­rer Fir­ma aktu­ell nur Frau­en im Büro. Bei mei­nem Azu­bi sind jedoch Mäd­chen in der Berufs­schul­klas­se. Ich wür­de total ger­ne zu mei­ner geplan­ten Azu­bi­ko­lon­ne eine zwei­te, rei­ne Mäd­chen­ko­lon­ne haben. Ein­fach weil ich der Mei­nung bin, dass Mäd­chen in unse­rem Hand­werk einen Platz haben.
Ich den­ke aber auch, dass uns die Poli­tik hier unter­stüt­zen muss, gesell­schaft­li­che Lösun­gen zu fin­den. Die Begren­zung des Gewich­tes auf 15 kg, wel­ches Frau­en aktu­ell maxi­mal tra­gen dür­fen, ist bei­spiels­wei­se nicht mehr zeit­ge­mäß. Beim Ein­kau­fen trägt man teil­wei­se viel mehr. Es gibt eini­ge Jungs, die das nicht schaf­fen wür­den und genau­so vie­le Mäd­chen, die es aber schaf­fen wür­den. Das macht es Frau­en im Hand­werk gene­rell sehr schwie­rig. Wir brau­chen zukünf­tig aber mehr Frau­en, da vie­le Män­ner in ande­re bis­her klas­si­sche Frau­en­be­ru­fe wech­seln, wie z.B. Erzieher.

Was raten Sie jun­gen Men­schen, die sich fürs Hand­werk inter­es­sie­ren? Wel­che Fähig­kei­ten wer­den benö­tigt, um erfolgreiche/r Gerüst­baue­rIn zu werden?

Sie müs­sen auf jeden Fall höhen­taug­lich und kör­per­lich fit sein. Außer­dem ist Mathe­ma­tik ele­men­tar. Ob es die Auf­stel­lung einer klei­nen Sta­tik ist, die zur Über­prü­fung dient, ob mein Bau­teil hält oder ob ich Mate­ri­al­be­stim­mun­gen mache, wie viel Mate­ri­al ich auf der Bau­stel­le benö­ti­ge – das Rech­nen fin­det täg­lich statt. Auch Phy­sik soll­te man beherr­schen. Wie ist der Kräf­te­ver­lauf und was pas­siert in dem Mate­ri­al sel­ber, wenn es belas­tet wird. Außer­dem muss man eine Zeich­nung lesen kön­nen und ein räum­li­ches Vor­stel­lungs­ver­mö­gen besit­zen. Das alles lässt sich in der Aus­bil­dung aneig­nen. Team­fä­hig­keit spielt eben­falls eine gro­ße Rol­le in unse­rem Handwerk.

Wie hoch war das höchs­te Gerüst, das Sie bis­her gebaut haben?

Das höchs­te Gerüst, das wir mal gebaut haben, war ca. 115 Meter und das größ­te Gerüst von dem ich mal gehört habe, um die 170 Meter hoch. Irgend­wann sind natür­lich Gren­zen gesetzt. Das unte­re Teil wäre ab einer gewis­sen Höhe nicht mehr kräf­tig genug. In dem Fall baut man Zwi­schen­ebe­nen aus dem Roh­bau her­aus, auf die man dann wie­der Gerüs­te stel­len kann. Den Fern­seh­turm könn­te man zum Bei­spiel nicht von unten bis oben mit nor­ma­lem Gerüst­ma­te­ri­al einrüsten.

Wel­chen Ein­fluss haben Trends wie Digi­ta­li­sie­rung aufs Gerüstbauhandwerk?

Die Kern­ar­beit wird hof­fent­lich noch eine Wei­le Hand­ar­beit blei­ben, denn das kann kei­ne Maschi­ne leis­ten. Aber Digi­ta­li­sie­rung spielt in der Doku­men­ta­ti­on eine immer grö­ße­re Rol­le. Und auch in der Erfas­sung von Infor­ma­tio­nen. Bei Bau­ta­ges­be­rich­ten oder Arbeits­zeit­nach­wei­sen hat sich bei­spiels­wei­se unheim­lich viel getan.

Ein wei­te­rer Trend ist der, dass man frü­her gene­rell zweck­mä­ßi­ger gebaut hat. Heu­te dage­gen ist Bau­en Kunst. Vie­le Ele­men­te kann man teil­wei­se mit her­kömm­li­chen Mit­teln kaum noch berech­nen. Ich kann mich zum Bei­spiel an die Pina­ko­thek in Mün­chen erin­nern, bei der die Sta­tik drei­di­men­sio­nal errech­net wer­den muss­te. Am Ende konn­te das nur ein Com­pu­ter­pro­gramm leis­ten. Mit Taschen­rech­ner und Skiz­zen­block wäre das nicht gegan­gen. Heut­zu­ta­ge wird zudem immer mehr Stahl und Glas ver­baut. Da müs­sen wir natür­lich auch unse­re Gerüst­kon­struk­tio­nen im beson­de­ren Hin­blick auf die Sicher­heit anpassen.

Wel­che Vor­ha­ben haben Sie für die Zukunft? Wel­che Pro­jek­te sind in Planung?

Ich fin­de es ganz toll, dass vie­le Künst­ler den Gerüst­bau seit eini­ger Zeit für sich ent­deckt haben. Wir wer­den bei­spiels­wei­se regel­mä­ßig vom Pan­ora­ma­künst­ler Yade­gar Asi­si gebucht. Der hat 2011 den Gerüst­bau im Rah­men der Pan­ora­ma-Per­ga­mon für sich ent­deckt. Das war eine gro­ße Aus­stel­lung, die extrem gerüst­las­tig war. Dem­nächst wer­den wir für ein Pro­jekt nach Rouen fahren.

Außer­dem sind wir Koope­ra­ti­ons­part­ner einer Schu­le mit der wir einen Beruf­etag orga­ni­sie­ren möch­ten. Der soll Schü­ler schon ab der sieb­ten Klas­se anspre­chen. Ich fin­de näm­lich, dass es in der neun­ten Klas­se schon recht spät ist, um mit der Berufs­ori­en­tie­rung anzufangen.

Wie schät­zen Sie die Zukunft Ihres Gewerks und die beruf­li­chen Chan­cen ein?

Ich erhof­fe mir, dass ich zukünf­tig noch mehr jun­ge Men­schen für unse­re Bran­che begeis­tern kann. Frü­her hieß es ja immer: groß, stark und blöd. Davon sind wir lan­ge weg. Das, was man an Mus­keln braucht, wächst von allein auf der Arbeit. Davon braucht man gar nicht so viel. Aber wir brau­chen hel­le Köp­fe, die uns die Gesell­schaft, sie­he Künst­ler oder fin­di­ge Bau­her­ren, abver­langt. Mich wür­de es außer­dem unge­mein freu­en, wenn es die ein­zel­nen Insel­lö­sun­gen zur Berufs­ori­en­tie­rung mal irgend­wann als einen gro­ßen Zusam­men­schluss geben wür­de. Ich glau­be den­noch, dass die Zukunft fürs Gerüst­bau­hand­werk rosig aussieht.

Vie­len Dank für das span­nen­de Inter­view und alle Gute für die Zukunft!


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